Die meisten Menschen erleben chronische Schmerzen als sehr belastend. Nicht nur, dass diese Schmerzen selbst sehr unangenehm sind. Dazu kommt noch, dass man als Schutz vor dem (Wieder-) Auftreten der Schmerzen eine Reihe von Schutzreaktionen zeigen kann. Diese Schutzreaktionen können dann zu weiterer Verspannung des Körpers führen. Diese Verspannungen können dann wiederum selber zur Ursache von noch mehr Schmerzen werden.

Chronischer Schmerz und Angst vor Bewegung

Die unangenehmen Schmerzzustände können aber auch weitere Folgen für unser körperliches Erleben und unsere Art uns zu bewegen haben. Denn Menschen mit chronischen Schmerzen leben häufig ins Angst vor kommenden Schmerzen. Diese Angst vor dem Schmerz kann zur Vermeidung von bestimmten Bewegungen führen. Dabei wird aber oftmals mehr Bewegung vermieden als eigentlich schmerzfrei möglich wäre. Dies kann bis zu weitgehender Inaktivität führen. Diese Inaktivität kann aber eine ganz andere Folge haben. Denn durch diese Inaktivität können nach einer Weile noch mehr Schmerzen auftreten, als wenn man sich regelmäßig in dem Rahmen bewegt hätte, der einem tatsächlich möglich ist. Diese schmerzbedingte Inaktivität und die Verspannungen aus Angst und Schutzreaktionen können zusammen zu einer Verstärkung der Schmerzen führen. Chronische Schmerzen können also Verhaltensweisen auslösen, welche zu Bewegungsvermeidung und dadurch zur Verschlimmerung des Schmerzes und zum Verlust von Lebensqualität führen.

Fixierung der Gedanken auf den Schmerz und die unangenehmen Lebenserfahrungen

Wenn man häufig Schmerzen hat dann hat dies ganz typische Auswirkungen auf unser Denken. So machen sich beispielsweise Menschen mit chronischen Schmerzen oft Sorgen darum wann möglicherweise wieder etwas passiert, was neue Schmerzen auslösen könnte. Oder es kann passieren, dass man mit seinem Schicksal hadert, warum ausgerechnet man selbst so viel mit Schmerzen zu kämpfen hat. Als Folge geschieht es auch oft, dass man sehr häufig darüber nachdenkt wo der Körper alles weh tut, oder was man alles nicht mehr tun kann, weil man diese Schmerzen hat.

Also kursiert das persönliche Erleben und Denken von Menschen mit chronischen Schmerzen sehr oft um die Erkrankung und den Schmerz. Dabei führt das ständige Denken an seine Erkrankung  mit einer entsprechenden unangenehmen Grundtönung dann leicht zu einer Verstärkung der Symptome und einer Stimmungseintrübung. Irgendwann kann es dann ausreichen nur noch an die Schmerzen zu denken um es zur Stimmungseintrübung und Schmerzintensivierung kommen zu lassen.

Verlust der Fähigkeit zu genießen durch chronische Schmerzen

Das ständige Kreisen der Gedanken um den Schmerz und die Schmerzfolgen kann eine sehr gefährliche Nebenwirkung haben.  Denn den Betroffenen kommt im Laufe der Zeit die Fähigkeit abhanden Angenehmes wahrzunehmen und zu genießen. Weder werden angenehme körperliche Erfahrungen noch freudige oder angenehme Lebenssituationen bewusst erlebt, noch können sie genossen werden. Auf der einen Seite findet sich die gewohnheitsmäßige gedankliche Kreisen um unangenehmen Lebenserfahrungen. Auf der anderen Seite findet man die wenig ausgeprägte Fähigkeit das Leben zu genießen. Chronischen Schmerzen führen also zu Gewohnheiten des Denkens und Fühlens, welche die Lebensqualität erheblich einschränken können.

Das eigene Schmerzerleben verstehen lernen

Aus diesem Grund haben in der modernen Schmerztherapie sogenannte psychologische Verfahren einen hohen Stellenwert. Dabei lernen die Teilnehmer mehr Aufmerksamkeit auf ihr persönliches Schmerzerleben und ihre Lebenssituation zu legen. So lernen sie bewußt wahrzunehmen welchen Einfluss ihre Lebenssituation und bestimmte Situationen in ihrem Leben auf das Ausmaß ihrer Schmerzen haben. Zusätzich lernen sie wahrzunehmen welchen Beitrag ihre eigene Art zu Denken auf das Schmerzgeschehen und ihre Lebensqualität hat.

Seine Bewegungsaktivitäten bewusst gestalten

In einem weiteren Schritt lernen die Betroffenen ihren schmerzfreien Bewegungsraum neu zu erkunden, zu erfahren. Zusätzlich lernen sie ihre Lebenssituation und ihre Aktivitäten neu an ihre Leistungsfähigkeit anzupassen. Hierbei wird gezielt auf ein schrittweises Steigern der eigenen Bewegungsaktivitäten gelegt, ohne sich dabei zu überfordern.

Von schädlichen Schmerzverstärkern loslassen

Außerdem lernen die Betroffenen durch verbesserte Wahrnehmung körperlicher Aktivitäten und eine bewusstere Wahrnehmung ihrer eigenen gedanklichen Prozesse. Sie lernen langsam die schädlichen, schmerzverstärkenden gedanklichen und emotionalen Muster loszulassen und gegen förderliche, gesund erhaltende geistige Prozesse zu ersetzen.

Der Werkzeugkoffer für die Neugestaltung seines Lebens

Um seine Lebensqualität trotz chronischer Schmerzen zu verbessern gibt es einen ganzen Werkzeugkoffer mit gut erprobten Methoden. Dabei ist die wichtigste Methode die Entwicklung der Achtsamkeit und die Entwicklung emotionaler Stabilität und Positivität. Praktisch umgesetzt wird dies mit Hilfe von

  • achtsamen Bewegungsübungen (z.B. Feldenkrais-Übunge, Qi-Gong, einfache Körperbewegungen)
  • Meditation (Atemmeditation, Übung des liebevollen Gewahrseins, „3-Minuten-Atempause““
  • Achtsamkeit im Alltag

Die Verhaltensänderungen im Alltag werden mit verschiedenen Methoden aus der kognitiven Verhaltenstherapie unterstützt, wie

  • Schmerztagebücher
  • Pacing („Schrittmachen“, Anpassen des Alltags an die Leistungsfähigkeit, Vermeidung von Überforderungssituationen)
  • Wahrnehmung und Veränderung von schmerzverstärkenden geistigen Prozessen
  • Selbstbelohnung

Das Resultat: Lebensqualität und sich selbst als aktiver Gestalter seines Lebens erfahren

Im Laufe der Zeit lernt der Betroffene nicht mehr gegen den Schmerz anzukämpfen. Stattdessen erhält man eine realistischere Einschätzung seiner Möglichkeiten und Handlungsspielräume und lernt diese zu erhalten und zu nutzen. Zusätzlich kehrt der Betroffene aus der häufigen inneren Isolation zurück in das Gefühl der Verbundenheit mit anderen Menschen.

Als Resultat erlebt der Betroffene sich als eine Person, welche in der Lage ist sein Leben vielleicht auch trotz Schmerz aktiv zu gestalten. Und erfährt, dass er das was ihm wichtig ist auch weiterhin zu tun.  Genauso wie er lernen kann dem Schmerzerleben und den daraus folgenden leidensverstärkenden geistigen Prozessen nicht mehr den Raum und den Stellenwert zu geben, die sie vorher in seinem Leben hatten. In Folge fühlt sich der Betroffene dem Schmerz nicht mehr hilflos ausgeliefert, sondern erlebt sich als jemand der sein Leben meistern kann.

Im weiteren Prozess nimmt dann das Gefühl der Selbstwirksamkeit zu. Das bedeutet, dass man sich als aktiver Gestalter seiner Lebenssituation wahrnimmt. Und man wird wieder häufiger die Erfahrung machen können dass man das Gefühl hat seine Lebenssituation und Möglichkeiten zu verstehen, sondern auch als handhabbar und bedeutungsvoll zu erleben.